Fehler der traditionellen Konsumforschung
(Interview mit Gerald Zaltmann, Professor an der Harvard Business School seit 1991, veröffentlicht in der Wirtschaftswoche vom 10.07.2003, Nr. 29, Autoren Katzensteiner T./Leenderse J.)
Herr Professor, fast 80 Prozent aller Produkteinführungen scheitern. Die Verbraucher kaufen nicht. Warum?
Jahrelang haben die Unternehmen an ihren Zuliefer- und Produktionsketten gefeilt, haben ihre Produktentwicklung und ihr Kostencontrolling perfektioniert. Nur im Marketing selbst passierte relativ wenig. Die Marketingleute schwimmen immer noch auf der Welle der Kostenreduzierung mit und legen ihr Hauptaugenmerk auf Preisstrategien. Sie sind zwar bemüht, überzeugend herauszuarbeiten, dass ihre Produkte dem Kunden einen einzigartigen Nutzen verschaffen, den er anderswo nicht bekommt. Das Problem aber ist, dass sie in ihren Analysen nicht tief genug schürfen. Sie kennen einfach die wirklichen Bedürfnisse ihrer Kunden zu wenig.
Aber es wird doch schon endlos Marktforschung betrieben ….
Ja, aber die kratzt nur an der Oberfläche. Nur weil ein Manager jahrelang in der gleichen Branche mit gleichen Produkten beschäftigt ist, heißt das noch lange nicht, dass er die Bedürfnisse seiner Kunden kennt. Genau das aber nehmen viele Marktforscher und Marketingleute für sich in Anspruch. Sie neigen dazu, ihre eigene Haltung mit der der Kunden zu verwechseln.
Was sollten sie stattdessen tun?
Sie sollten sich zuerst fragen: „Was müssen wir eigentlich über den Kunden wissen?“ – und dann nach der richtigen Methode suchen, um das herauszufinden. Meistens läuft es aber umgekehrt. Das Marketing orientiert sich an den allvertrauten Methoden und feilt so lange an den Fragen bis sie zur Methodik passen. Deshalb ist heute Marktforschung meistens so angelegt, dass sie nur des Denken der Marketingleute bestätig.
Wollen Sie damit sagen, dass die Milliarden die für Marktforschung ausgegeben werden, pure Verschwendung sind?
Mit althergebrachten Methoden der Marktforschung findet man höchstens die halbe Wahrheit.
Warum?
Weil sie fälschlicherweise davon ausgeht, dass Wörter eins zu eins unsere Gedanken widerspiegeln. Tatsächlich sind Wörter wichtig, um unser Denken zu stimulieren. Sie sind Ausdruck unseres Denkens. Aber man darf Wörter nicht mit dem verwechseln, was unsere Gedanken sind, nämlich Gehirnaktivitäten. Die sind weitaus komplexer. Denken Sie nur daran, dass der größte Teil der Kommunikation nonverbal ist.
Wie können Marktforscher solche unbewussten Assoziationen nutzen?
Über Bilder. Wir wissen aus der Gehirnforschung wie aussagekräftig Metaphern sind. Menschen denken und fühlen nicht in Prioritätenlisten, die sie im Kopf abhaken, wenn sie vor einer Kaufentscheidung stehen, sondern sie denken und fühlen in einem System vieler miteinander verbundener Gedanken. Wer das begreift und seine Testpersonen den Blick ins eigene Denken ermöglicht, ihm dabei hilft etwa in Collagen diese inneren Bilder auszudrücken, der wird diese Bedürfnisse besser verstehen und bedienen lernen.
Sind die Ergebnisse solcher Interviews nicht viel zu subjektiv?
Die Erfahrung zeigt: Je tiefer man in das Unterbewusstsein von Menschen vordringt, umso deutlicher wird, wie gleich die Menschen doch ticken. Metaphern sind so etwas wie das natürliche Vokabular, mit dem Menschen die Verbindungen zwischen ihren Gedanken identifizieren.
Können Sie das an einem Beispiel erläutern?
Es ist kein Zufall, dass wir in der Werbung so viele Tiere finden. Den Ford Mustang zum Beispiel. Das Auto steht für Power, der Mustang für Wildheit und Anmut. Die Kombination der beiden Begriffe aber ruft in uns ein völlig neues Bild von Spannung und Eleganz hervor. Stellen Sie sich nur vor, man hätte das Auto Ford Giraffe oder Bär genannt.